Das Kultursensible Krankenhaus

Das moderne Krankenhaus fungiert als Dienstleistungsanbieter im Bereich des Gesundheitswesens. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Menschen, die krank, leidend oder auf der Suche nach Hilfe sind, medizinische Diagnostik, Therapie und Pflege anzubieten. Dies geschieht sowohl zur medizinischen Rehabilitation als auch zur angemessenen palliativen Begleitung bei unheilbaren Krankheiten. Diese umfassende Aufgabe wird als Krankenhausbehandlung bezeichnet und deckt verschiedene Bereiche ab, wie:

  • Sofortige Notfallbehandlung 
  • Behandlung im Rahmen von stationären und teilstationären Aufenthalten       
  • Vorbereitende und nachsorgende Behandlungen im Zusammenhang mit stationären Aufenthalten ·        
  • Ambulante Behandlungen       
  • Rehabilitative Behandlungen

Unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Nationalität wird jeder Patient gleich behandelt. Diese Gleichbehandlung bezieht sich auf die medizinische Versorgung und zielt darauf ab, jedem individuell zu helfen.

Die Frage, ob dieses "Gleichbehandlung" wirklich funktionieren kann, ist jedoch komplex. Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen haben möglicherweise unterschiedliche Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit. Dies zeigt sich in verschiedenen Aspekten, die ich anhand von drei Beispielen erklären möchte:

1.  Unterschiedliches Schmerzempfinden: Das Schmerzempfinden wird stark von unserer Herkunft und Erziehung beeinflusst. Unterschiedliche Kulturen können unterschiedliche Ansichten darüber haben, wie Schmerzen empfunden und behandelt werden sollten. Zum Beispiel neigen Menschen in südlichen Ländern dazu, Schmerzen schneller zu äußern und behandeln zu lassen, während in nordischen Ländern oft eine "durchhalten"-Mentalität vorherrscht. Einige Menschen besitzen sogar genetische Eigenschaften, die sie weniger schmerzempfindlich machen.

2.  Culture Bound Syndrom: Kulturgebundene Syndrome: Es gibt psychiatrische Anzeichen und Symptome, die in bestimmten Kulturen aufgrund der psychosozialen Hintergründe auftreten. Ein Beispiel ist das Koro-Syndrom, das in Südostasien, China und Indien vorkommt. Dabei leiden Betroffene unter der irrationalen Angst, ihre Geschlechtsorgane könnten schrumpfen. In westlichen Kulturen kann die Anorexia nervosa ein Beispiel für ein kulturgebundenes Syndrom sein, beeinflusst von Schönheitsidealen und negativer Bewertung von Übergewicht.

3.  Transgenerationale Traumatisierung: Traumatisierte Menschen können Traumata an ihre Nachkommen weitergeben, selbst wenn sie über ihre Erfahrungen schweigen. Dies kann zu erhöhter Stressanfälligkeit, Angststörungen und Depressionen bei den Nachkommen führen. Die Kenntnis der Vorgeschichte ist wichtig, sowohl für die individuelle Behandlung als auch für interkulturelle Zusammenarbeit.

Auf das Thema transgenerationales Trauma und was es bedeutet, darauf möchte ich hier etwas näher eingehen

Ein transgenerationales Trauma tritt auf, wenn ein Trauma an nachfolgende Generationen weitergegeben wird. Wenn das Trauma direkt an die nächste Generation weitergegeben wird, nennt man es sekundäre Traumatisierung. Ab der dritten Generation sprechen Experten von transgenerationaler Traumatisierung.

Wie erfolgt die Weitergabe eines Traumas?

Ein Trauma kann über Generationen weitergegeben werden, wenn es nicht oder nur teilweise verarbeitet wurde. Es wird angenommen, dass die psychische Belastung einer traumatisierten Person sich direkt oder indirekt auf den Umgang mit den eigenen Kindern auswirkt. Diese Einflüsse können innere Konflikte bei den Kindern auslösen, die wiederum an ihre eigenen Kinder weitergegeben werden. Dadurch können traumatische Erfahrungen Auswirkungen auf die Psyche mehrerer Generationen von Nachkommen haben.

Die genauen psychologischen Mechanismen hinter der transgenerationalen Weitergabe von Traumata sind komplex und umstritten. Forschungsergebnisse bieten unterschiedliche Erklärungsansätze dafür, warum Traumata überhaupt von einer Generation zur nächsten übertragen werden. Forschende haben auch erkannt, dass die Epigenetik (die Entwicklung eines Lebewesens) bei dieser Weitergabe eine Rolle spielen kann. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Übertragung von Traumata auf nachfolgende Generationen nicht zwangsläufig geschieht.

Aus meiner Erfahrung in vielen Workshops mit Arbeitsmigrant:innen geht hervor, dass auch Arbeitsmigration, ob freiwillig oder nfreiwillig, seelische Spuren hinterlässt, die an nachfolgende Generationen weitergegeben werden.

Deutschland bleibt ein Zuwanderungsland. Ein Beispiel hierfür ist das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre, als viele Gastarbeiter aus verschiedenen Kulturen ins Land kamen. Oft verließen sie ihre Heimat nicht aus freien Stücken, sondern um Geld zu verdienen und ihre Familien zu unterstützen. Das Verlassen der Heimat, der Familie und des vertrauten Umfelds sowie das Alleinsein in einem fremden Land hinterließen bei vielen Gastarbeitern seelische Belastungen. Diese Spuren wurden nicht nur von den Gastarbeitern selbst, sondern auch von den zurückgebliebenen Familienmitgliedern getragen. Viele von ihnen kamen im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland und ließen sich dort nieder. Andere fanden hier Partner oder Partnerinnen und gründeten Familien. Häufig wurden diese transgenerationalen Traumata von den Eltern auf die Kinder und Enkelkinder übertragen.

In den 1950er Jahren wurde psychische Belastung am Arbeitsplatz und mentale Gesundheit der Mitarbeitenden noch wenig beachtet. Heutzutage wissen wir viel mehr darüber. Dieses Wissen sollten wir nutzen, damit Generationen und Kulturen gemeinsam und harmonisch die Versorgung für alle Patient:innen weiterhin gewährleisten können.

Um eine inklusive Atmosphäre für Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen in Krankenhäusern und Einrichtungen zu schaffen, ist eine "Interkulturelle Öffnung" von grundlegender Bedeutung. Dieser bewusst gestaltete Prozess ermöglicht allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zur modernen Arbeitswelt und sorgt für eine gleiche Arbeitsqualität. Dieser Prozess umfasst Maßnahmen zur Personalentwicklung, Veränderungen in der Infrastruktur, eine kultursensible Gestaltung der Weiterbildung und eine Grundhaltung, die die Möglichkeit von Dominanzstrukturen im Pflegesystem erkennt.

Dieser Prozess sollte gleichzeitig auf Führungsebene und unter den Mitarbeitenden implementiert werden – nach dem Prinzip "von oben gewollt (top down) und von unten getragen (bottom up)". Hierbei ist ein mittel- und langfristiger Ansatz zur Organisations- und Personalentwicklung erforderlich. Dabei geht es nicht nur darum, pragmatische Lösungen zur Beseitigung einzelner Zugangsbarrieren zu finden, sondern vielmehr um die Initiierung eines umfassenden Veränderungsprozesses. Die interkulturelle Öffnung sollte integraler Bestandteil der Organisationskultur werden und eine umfassende strategische Ausrichtung beinhalten (Gün, 2009). Die konsequente Förderung und Entwicklung interkultureller Kompetenzen und Strukturen ist von entscheidender Bedeutung.

Es gibt keine universelle Lösung für die interkulturelle Öffnung von Krankenhäusern. Das Konzept für eine solche Öffnung hängt von internen und externen Faktoren ab, die von Einrichtung zu Einrichtung variieren können. Interne Faktoren umfassen unter anderem die vorherrschende Führungskultur, Kommunikationswege, Unternehmensgröße und -ausrichtung sowie das Patientenklientel. Externe Einflussfaktoren könnten die Region, in der die Einrichtung tätig ist, Vorgaben von übergeordneten Trägern sowie politische Entwicklungen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene sein.

Die interkulturelle Öffnung eines Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung ist ein schrittweiser Prozess. Es ist nicht erforderlich, alle vorgeschlagenen Maßnahmen gleichzeitig umzusetzen. Selbst kleine Schritte können langfristig erfolgreich sein. Es ist ratsam, den Prozess durch eine zentrale Stelle zu lenken, begleiten und koordinieren. Hierbei könnte der Einsatz von Integrationsbeauftragten als zentrale Koordinationsstelle für Fragen im Zusammenhang mit Migration, Integration und Diskriminierung dienen. Diese Stelle kann gleichzeitig interne Veränderungsprozesse anstoßen und begleiten.

Die Umsetzung der interkulturellen Öffnung erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die in verschiedenen Bereichen des Gesundheits- und Krankenhauswesens von Bedeutung ist. Es reicht nicht aus, das Thema lediglich in die Leitbilder und Unternehmenswerte zu integrieren (was als normative Unternehmensführung bezeichnet wird). Vielmehr sollte eine strukturelle Verankerung in der strategischen und operativen Führung des Unternehmens erfolgen. Dies bedeutet, klare Ziele zu formulieren, wie zum Beispiel bedarfsgerechte Weiterbildung und -entwicklung für sowohl in- als auch ausländische Pflegekräfte und Ärzte. Diese Ziele müssen durch konkrete strategische Maßnahmen unterstützt werden, um sie effektiv umzusetzen. Langfristig ist das Ziel, sicherzustellen, dass diese strategischen Maßnahmen in den alltäglichen Abläufen und Prozessen der Organisation integriert werden.

Bereiche der interkulturellen Öffnung

Die interkulturelle Öffnung beeinflusst sämtliche Bereiche des Klinikmanagements. Sie umfasst nicht nur eine auf die Zielgruppen abgestimmte Ausrichtung der Dienstleistungen, sondern betrifft auch die Außendarstellung und Öffentlichkeitsarbeit. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen. Innerhalb der Personalentwicklung im Krankenhaus bedeutet nterkulturelle Öffnung, gezielt Fachkräfte mit Migrationshintergrund einzustellen, interkulturelle Kompetenz sowohl in Theorie als auch Praxis in die internen Fort- und Weiterbildungsprogramme zu integrieren, und die fachliche Unterstützung der Teamarbeit sicherzustellen (Falkenroth & Wagner, 2008; Koch & Staudt, 2020; Bender, Staudt & Koch, 2020). Zusätzlich fließen kontinuierliche Patientenbefragungen (auch in den entsprechenden Muttersprachen) ein, um die Perspektive der Patientinnen und Patienten zu erfassen.
Das Qualitätsmanagement eines Krankenhauses begleitet diesen Prozess der interkulturellen Öffnung.

Integration ausländischer Fachkräfte

In den Bereichen Pflege und Medizin herrscht häufig ein Mangel an Fachkräften. Die Bundesregierung hat durch die Fachkräftestrategie (Die Bundesregierung, 2020) und die Konzertierte Aktion Pflege (Konzertierte Aktion Pflege, 2020) die Bedingungen für die Einwanderung und Integration ausländischer Fachkräfte verbessert. Krankenhäuser stehen vor der Herausforderung, ihre Rekrutierungs- und Integrationsprozesse sowie die Vielfalt ihrer Teams so zu gestalten, dass neue Mitarbeitende gut aufgenommen werden, sich schnell einarbeiten und langfristig erfolgreich im Team arbeiten können. Inzwischen existieren zahlreiche Konzepte zur Integration und Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ausland. Viele Kliniken setzen sich intensiv mit der Rekrutierung von Pflege- und medizinischem Fachpersonal aus dem Ausland auseinander, was organisatorische und kulturelle Herausforderungen mit sich bringt. In vielen Kliniken hat sich aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre eine "Willkommenskultur" entwickelt.

In diesen Bereich hat eine gewisse Routine Einzug gehalten: Oft werden Wohnungen oder Zimmer zur Verfügung gestellt, und in der Regel steht eine Ansprechperson bereit, um organisatorische Angelegenheiten zu regeln, wie etwa die Anmeldung bei der Krankenkasse, Sozialversicherung oder die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Einige Einrichtungen bemühen sich, den neuen Pflegekräften im beruflichen Alltag Unterstützung zur Seite zu stellen (zum Beispiel Praxisanleitende, Paten oder Mitarbeitende der Stationsteams) und finanzieren sogar zusätzliche Deutschkurse aus eigener Tasche.

Die Fachkräfte bringen teilweise unterschiedliche, oft auch höher qualifizierte Ausbildungen und Berufserfahrungen mit. Dazu kommen verschiedene Vorstellungen und Erfahrungen bezüglich Arbeits- und Rollenverteilung sowie Kompetenzen und Aufgaben des Fachpersonals. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung behindern vor allem strukturelle Unterschiede in der Ausbildung und den Arbeitsabläufen – weniger kulturelle Unterschiede – die Integration ausländischer Pflegekräfte: Viele Pflegefachkräfte aus dem Ausland sind frustriert, weil sie das Gefühl haben, ihre Fähigkeiten nicht ausreichend nutzen zu können. Pflegefachkräfte aus Ländern wie Spanien, Portugal, Griechenland und Polen haben an Hochschulen studiert und sind es gewohnt, medizinnahe Tätigkeiten und Managementaufgaben zu übernehmen. Tätigkeiten wie Betten machen und Waschen werden dort von Hilfskräften übernommen. Einheimische Pflegekräfte bemängeln mitunter die als "praxisfern" empfundene Arbeitsweise der ausländischen Kolleginnen und Kollegen.

In einer Befragung von 20 zugewanderten Ärztinnen und Ärzten werden folgende Hürden für eine gute Integration genannt (Klingler, 2019):

• Herausforderungen in Bezug auf zwischenmenschliche Interaktionen, ihrer eigenen Kompetenz sowie Institutionen des Gesundheits-
systems

• Misstrauen bei Kollegen und Ärzten bezüglich ihrer fachlichen Kompetenz, damit Erleben von Diskriminierung

• Unzureichende Einarbeitung, Vorbereitung auf die Tätigkeit

• Unzureichende Kenntnis von Sprache, Kultur, organisatorischen Abläufen, Strukturen des Gesundheitssystems

• Unzureichende Kenntnis über die Arbeitsteilung zwischen Medizin und Pflege

• Integrationsbarrieren bei der Anerkennung von fachlichen Abschlüssen

Vorschlag zum Absenken bestehender Integrationsbarrieren:

• Interkulturelle Trainings,

• Weiterbildungsmaßnahmen für migriertes Personal,

• Ethikkodizes für Krankenhäuser

Positive Effekte interkultureller Zusammenarbeit

Interkulturelle Zusammenarbeit und Austausch am Arbeitsplatz können eine Vielzahl positiver Effekte hervorbringen. Dazu gehören eine gesteigerte Kreativität, Innovation und Flexibilität, eine wertschätzende Wahrnehmung kultureller Unterschiede, konstruktive Bewältigung von Herausforderungen, gesteigertes Zusammengehörigkeitsgefühl, verbesserte Leistung und höhere Zufriedenheit der Mitarbeitenden sowie bessere Kommunikation mit Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund. Diese positiven Aspekte innerhalb interkultureller Teams können erreicht werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Hierzu gehören Instrumente, um vorhandene Hürden wie Sprachbarrieren auszugleichen, sowie die Einbindung des gesamten Personals in den Integrationsprozess ausländischer Fachkräfte. Eine gelungene Integration erfordert eine klare Absicht.

Entwicklung interkultureller Teams und Kompetenzen

Das reibungslose Funktionieren interkultureller Teams hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab:
Neben der Nationalität spielen fachliche und persönliche Kompetenzen, Sprachkenntnisse, Teamgröße und -zusammensetzung, Art der Klinik und Fachrichtung, Herkunftsland, Alter sowie Dauer des bisherigen Aufenthalts der zugewanderten Fachkräfte eine entscheidende Rolle. Viele Krankenhäuser stehen vor der Herausforderung, Teamarbeit unter erschwerten Bedingungen, wie hoher Patientenzahl bei Fachkräftemangel, zu gewährleisten (Spielberg, 2019). Eine bewusste und strukturierte Gestaltung interkultureller Teams kann zu deren positivem Nutzen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Patientinnen und Patienten beitragen.

Eine Pflegedienstleitung einer Universitätsklinik bringt es auf den Punkt:

Im Kern trägt ein gutes Funktionieren interkultureller Teams dazu bei, wenn leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ihrer Rolle bewusst sind, enge Verbindungen zu den neuen Kollegen aufbauen, ihnen Ansprechpersonen zur Seite stehen, Einarbeitungskonzepte überwachen und Fortschritte anerkennen. Es ist auch wichtig sicherzustellen, dass ausländische Mitarbeitende außerhalb der Arbeit sozial integriert sind und sich nicht isoliert fühlen. Um gegenseitiges Verständnis zu fördern, kann es hilfreich sein, einige Minuten in Teammeetings zu reservieren, damit ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Gelegenheit haben, ihr Herkunftsland oder ihre spezifische medizinische oder pflegerische Tätigkeit vorzustellen.


Ein bewährter Ansatz ist auch die Einführung eines Sprachcoachs, der vor Übergaben unterstützt, notwendige Informationen (zuerst schriftlich) bereitzustellen und einzuüben. Dies hilft, Ängste vor Fehlern zu überwinden und ermöglicht es den Mitarbeitenden, von Anfang an Deutsch zu sprechen. Die Sprache stellt das zentrale Problemfeld dar, da sie stark in die anderen beiden Problemfelder hineinspielt. Ausreichende Deutschkenntnisse sind essenziell für die Ausübung des Berufs in Deutschland und für soziale Kontakte, die wiederum die sprachliche und kulturelle Verständigung fördern. Die Kommunikation und Dokumentation in deutscher Alltags- und Fachsprache ist für ausländische Fachkräfte im deutschen Gesundheitswesen, besonders zu Beginn ihrer Tätigkeit, oft eine Herausforderung. Besonders anspruchsvoll wird es, wenn Patienten und Patientinnen hoch pflegebedürftig oder an Demenz erkrankt sind. Im schlimmsten Fall können mangelnde Sprachkenntnisse zu Fehlbehandlungen von Patientinnen und Patienten führen. Zusätzlich sind deutsche Redewendungen, die für einheimische Gesundheitsfachkräfte geläufig sind, oft eine Quelle von Missverständnissen für ausländische Kolleginnen und Kollegen. Fortbildungen bieten eine hervorragende Möglichkeit zur Unterstützung zugewanderter Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte. Weitere Integrationsoptionen, die Krankenhäuser in Betracht ziehen können, werden in den folgenden sieben Tipps beleuchtet.

Mitarbeiterbefragungen durchführen: Wer seine Mitarbeiter befragt, verschafft sich einen Überblick, an welchen Stellen es hakt[,] und kann gezielt Angebote schaffen.

→ Mehr Integrationshilfen anbieten: 42 % fühlten sich an ihrem Arbeitsplatz fremd und wiesen die Verantwortung dafür deutlich dem
Arbeitgeber zu.

→ Unternehmenskultur und Ziele vermitteln: 41 % konnten bei ihrem Arbeitgeber keine Werte und Ziele erkennen und sich daher nicht
engagieren.

→ Ansprechpartner bei Problemen benennen: Jeder fünfte Befragte wusste gar nicht, an wen er sich bei Problemen wenden kann. Die
meisten (53 %) wenden sich an ihren Chefarzt. Dass auch Betriebsrat, Personalabteilung oder gar – wenn vorhanden – ein
Integrationsbeauftragter Ansprechpartner sind, war den wenigsten bewusst.

→ Diversity- und Sprachtrainings anbieten: Wer „typisch deutsche“ Verhaltensweisen nicht kennt, tut sich schwer mit der Integration. Die
überwiegende Mehrheit hat noch nie an einem Diversity Training teilgenommen, aber rund 18 Prozent würden es gerne tun. Deutlich
mehr (32 Prozent) würden an einem vertiefenden Sprachtraining teilnehmen. Denn die meisten haben nur die für die
Berufsanerkennung notwendigen Zertifikate.

→ Teamentwicklung – deutsche Ärzte vorbereiten: Grundsätzlich wurden die deutschen Teamkollegen und Chefs als hilfsbereit und nicht
fremdenfeindlich wahrgenommen; manche würden sich gegenüber ihren ausländischen Kollegen aber leicht respektlos bis überlegen
zeigen und deren ausländischen Erfahrungshintergrund nicht vollumfänglich ernst nehmen. In Trainings können diese Aspekte
interkultureller Teamarbeit thematisiert werden.

→ Führungskräftetrainings anbieten: Hier können Punkte wie Desinteresse, Verbesserung der Sprachkompetenz der ausländischen
Kollegen, Hilfe bei Ablehnung und mangelnde Empathie thematisiert werden.

Aus der Praxis: Eine geglückte Einarbeitung durch gegenseitiges Verständnis

In einem stationären Team traten zunehmend Probleme mit einer aus dem Ausland angeworbenen Kollegin auf. Diese verschwieg öfter Wissenslücken, wirkte uneinsichtig und verschlossen und schien nicht an hilfreichen Informationen interessiert zu sein. Das Team war zunehmend unwillig und ungeduldig in der Einarbeitung und in der Zusammenarbeit frustriert. Bei einem ausführlichen Mitarbeitergespräch zwischen der Stationsleitung, der Integrationsbeauftragten und der Mitarbeiterin stellte sich heraus, dass diese mögliche Fehler und Wissenddefizite als hoch bedrohlich empfand und diese deswegen schwer eingestehen konnte. In dem Gespräch wurde ihr das gängige Prinzip der konstruktiven Kritik und des wertschätzenden Umgangs miteinander erläutert. Schon unmittelbar nach diesem Gespräch wirkte die Mitarbeiterin erleichtert, war aufgeschlossen und kooperativ und konnte sich gut ins Team integrieren. Das Team wurde ergänzend in einer Fortbildung auf kulturelle Unterschiede, auch im Umgang mit Fehlern und Scham, sensibilisiert, um das Verständnis für als fremd empfundenes Verhalten zu vergrößern.

Diskriminierung und Rassismus

Diskriminierung und Rassismus sind bedauerlicherweise in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen präsent, was auch das Gesundheits-wesen einschließt. Diese negativen Erfahrungen können in der Interaktion zwischen Fachkräften, Patientinnen und Patienten sowie zwischen Kollegen und Vorgesetzten auftreten (Rassismus und Diskriminierung im Gesundheitsbereich, 2018). Einer Studie zufolge berichteten zehn von achtzehn befragten Pflegekräften von Erfahrungen mit Diskriminierung oder Fremdenfeindlichkeit am Arbeitsplatz. Insbesondere in der Anfangsphase nach der Ankunft wurde Diskriminierung am Arbeitsplatz von den Betroffenen festgestellt.

Lösungsansätze: Klare Regeln gegen Diskriminierung und Rassismus

Um Diskriminierung und Rassismus effektiv zu bekämpfen, ist es essentiell, klare Richtlinien für den Umgang mit internationalen Fachkräften festzulegen, inklusive möglicher Konsequenzen bei Nichtbeachtung dieser Regeln. Dies kann als Erweiterung der bestehenden Unternehmensrichtlinien zu Themen wie Selbstverständnis, Führungsleitbild, Vielfalt, Mobbing und ähnlichen Aspekten angesehen werden. Es ist wichtig, konkrete Beispiele anzuführen und Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, wo Diskriminierung und Rassismus beginnen. → Ausländische Mitarbeitende sollten in klarer und verständlicher Sprache darüber informiert werden, an wen sie sich wenden können, wenn sie das Gefühl haben, diskriminiert oder rassistisch behandelt zu werden. Gleichzeitig sollte deutlich gemacht werden, dass es nicht toleriert wird, wenn Patienten beispielsweise von ausländischen Pflegekräften Zusatzleistungen verlangen, die ihren deutschsprachigen Kollegen nicht gewährt würden, nur weil die ausländischen Mitarbeitenden sich eventuell weniger trauen, widerspruch zu äußern. → Im Team sollte frühzeitig darüber gesprochen werden, wenn Pflegekräfte aus dem Ausland rekrutiert werden.

Die Herausforderungen, mit denen sie in der Anfangsphase konfrontiert sind, sollten erklärt werden, und es sollte betont werden, dass sie in dieser Zeit zusätzliche Unterstützung benötigen. → Während es offensichtlich ist, dass Diskriminierung und Rassismus nicht akzeptabel sind, besteht auch die Gefahr, dass normale Konflikte zu schnell als solche eingestuft werden. Hier ist eine ausgewogene Herangehens-weise wichtig.

Bedeutung von Aus-, Fort- und Weiterbildung

Die Qualität und Nachhaltigkeit von Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung von Krankenhäusern hängt maßgeblich von der interkulturellen Kompetenz der Mitarbeitenden ab. Aus diesem Grund haben Kliniken zahlreiche Modelle für Aus-, Fort- und Weiterbildung entwickelt, die die Entwicklung dieser Kompetenzen in den Fokus rücken. Diese Maßnahmen können Sensibilisierung für kulturelle Überschneidungssituationen, Vermittlung von kulturspezifischem Hintergrundwissen oder konkrete Handlungsempfehlungen für bestimmte Situationen umfassen. Dabei muss jede Schulung an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden. Dabei spielen die Zielgruppe, mögliche Fachspezifikationen der Klinik sowie bereits gesammelte Erfahrungen in diesem Bereich eine Rolle. Neben inhaltlichen Aspekten sind auch Fragen zur Zeitplanung und zum Veranstaltungsort von Bedeutung.

Das Institut IGM bietet unterschiedliche und für alle Pflegekräfte passende Weiterbildungskonzepte an:


Pflichtfortbildung für Praxisanleiter nach § 4 Abs. 3 der PflAPrV bzw. für Betreuungskräfte nach §53c §43b SGB XI (Alltagsbegleiter)

Vier Module mit jeweils 8 Unterrichtseinheiten:

Modul 1: Was wir voneinander wissen sollten

Modul 2: Interkulturelle Teams in der Pflege

Modul 3: Kommunikation und Konfliktlösung

Modul 4: Interkulturell Kompetenz festigen


Weiterbildung für Arzte, Führungskräfte, Stationsleitungen, ausländische Ärzte und Pflegekräfte sowie Lehrkräfte an Pflegeschulen und Pflegeschüler

sechs zweitägige Module innerhalb eines Jahres mit folgende Themen:

Modul 1: Migration, Flucht und (seelische) Gesundheit

Modul 2: Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt, Rassismus und Diskriminierung im Berufsalltag

Modul 3: Umgang mit Sprachbarrieren

Modul 4: Interkulturelle Ethik-Kompetenz in der Klinik

Modul 5: Umgang mit Konflikten in interkulturellen Kontexten

Bei Teilnahme an mindestens vier von fünf Modulen wird das Zertifikat „Interkulturell kompetent in der Klinik“ verliehen;

die Module sind jedoch auch einzeln buchbar.

Förderung der Interkulturalität für eine bessere Zusammenarbeit

Wenn Klinikleitungen ihre Institution interkulturell öffnen, Mitarbeitende interkulturell kompetent aus-, fort- und weiterbilden und die interkulturelle Ausrichtung nachhaltig, konkret und messbar verankern, wird dies zu einer erheblichen Verbesserung der Zusammenarbeit führen. Diese Maßnahmen kommen nicht nur Patientinnen und Patienten zugute, sondern auch allen Mitarbeitenden, da sie die allgemeine Qualität der Patientenorientierung steigern. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass interkulturelle Öffnung mehr erfordert als nur das Engagement einzelner Mitarbeitender in diesem Bereich. Krankenhausleitungen sollten von der Wichtigkeit interkultureller Öffnung überzeugt sein und entsprechende Verantwortlichkeiten und Strukturen etablieren, um einen langfristigen Prozess zu gewährleisten. Hierzu gehören personelle Zuständigkeiten (z.B. Integrations-/Migrationsbeauftragte) sowie die Bereitstellung finanzieller Mittel.